Versteckt

Malea brüllt lispelnd Milan an: „Leithe leithe leithe. Gleith gethafft.“ Milan: „Brüll brüll.“ Milan hat Hunger, Malea brüllt erst, dann singt sie dagegen an. „Happy Birthday to you, Marmelade im Schuh, Aprikothe in der Hothe, happy Birthday to you.“
Ich versuche derweil zur Rush Hour in San Francisco Auto zu fahren und den Spielplatz im Golden Gate Park anzusteuern. Bzw. erst japanischer Garten, dann Spielplatz, erst egoistisch Mamaspaß, dann Kinderspaß. So, da ist der Park. Hier auf die Schnelle kein Parkplatz. Aber auf der anderen dem Park zugewandten Straßenseite. Schild, U-Turn verboten, wieder dasgleiche Schild an der nächsten Kreuzung, an der nächsten usw.. Ich biege nach rechts ab, anders versuchen. Ich darf nur nach rechts fahren. Ich will aber links! Muss wohl weiter fahren. Gut, japanischer Garten ein anderes mal. Fahr ich Richtung Spielplatz weiter, kann sowieso nicht anders als geradeaus fahren. (Brüll Brüll, Maaaaarmelaaade im Schuuuuh) So vergehen Kilometer um Kilometer. Ich schaffe es einmal weit hinter dem Golden Gate Park nach links abzubiegen, ein weiteres Mal links abbiegen, um zurück zu kommen, bleibt mir verwehrt. Was? Schon wieder der nächste Bezirk. Der Park in weiter Ferne, ich kann ausschließlich geradeaus, links abbiegen zwischen 4 und 9pm mo bis fr verboten. Ich gucke auf die Anzeige. Es ist 4.06pm, heute ist Dienstag. Die haben doch nen Knall. Ich darf in dieser Stadt nur geradeaus fahren. Können die Amis nur in eine Richtung fahren? Und ich muss demnächst wahrscheinlich noch eine Führerscheinprüfung hier machen?!Soll ich dann geradeaus fahren und an jeder Kreuzung stoppen, da es hier nur Stopp und keine Vorfahrt gibt. Hausgemachte Rush Hour ist das. Und wegen den Bekloppten brüllt jetzt mein Baby, Riesenbaby, hmm kleiner bis mittelgroßer Junge.

Für einen Parkplatz Nähe des Spielplatzes bin ich durch drei Bezirke rund 45 min. Umweg gefahren, fast ausschließlich geradeaus. Milan schnappt vor lauter Gebrüll schon nach Luft. Vom Strand bis zum Spielplatz hatte ich ursprünglich 8min. kalkuliert. Der Arme. Ich springe also als weißer Superheld aus dem Auto. Weiße Hose trage ich wegen der Flöhe, da kann ich mich nach Verlassen des Hauses prima absuchen. Gute Energien anziehen sowieso. Der Verkehr donnert an mir vorbei. Ich schnappe den Jungen und springe auf den Beifahrersitz mit schon halb entblößter Brust, Superheldenmama halt, da flattern statt dem Cape die Stilleinlagen im Wind. Aaaahhhh, angedockt und Ruhe macht sich breit. Entspannung. Bei allen, Malea liest ein Buch, Milan schmatzt, ich mache es mir auf dem Beifahrersitz bequem. Gucke raus, Sonne, schön.

Was ist denn da so kalt an meinem Hintern? Wasser verschüttet? Irgendetwas matscht durch meine weiße Superheldenhose. Kalt, nass. Ohhhhneiiiin.

Klar habe ich mich in die überreife Banane gesetzt. Die hatte sich unter Klamotten versteckt. Also kein Nachmittagssnack für mich. Die Hose erst heute früh gewaschen, mein einziger Flohschutzanzug, den ich momentan Tag und Nacht – nachts zusätzlich ergänzt mit Kniestrümpfen – trage. Mist. Bananenpüree am Hintern. Mit guten Energien. Immerhin.

Das Auto ist zum Wohnmobil umfunktioniert. Der Kleiderschrank von vier Personen, Spielsachen, Bücher, leere Wasserkanister zum Wiederbefüllen, der Kinderwagen, alles im rollenden Wohnhaus. Total praktisch, deshalb ist ja überhaupt ein Spontanausflug nach San Francisco zum Strand und zum Golden Gate Park möglich. Deshalb muss Milan aber leider auch recht unliebsam geparkt werden, während ich mich umziehe und der Beifahrersitz bananenverschmiert ist.  

Malea hat sich währenddessen das Wasser aus dem coolen Trinkbecher für die Großen komplett übergeschüttet. Bis ich für uns beide aus den ungeordneten Kleidersäcken, die größtenteils unterm Kinderwagen stecken, Klamotten zusammengefischt, Milan nochmal gewickelt habe…insgesamt haben wir eine Stunde für den Abmarsch gebraucht. Plus die Dreiviertelstunde Fahrtumweg, nicht schlecht für geplante 8min..

Dann sind Milan, Malea und ich nochmal eine weitere Stunde im Park spazieren gegangen. Äh eigentlich habe ich mich verlaufen, natürlich. Viel zu viele in die Irre führende Wege. Verschlungen, einfach unübersichtlich. Ich versuche Malea zu erklären, dass ich den Spielplatz wahrscheinlich nicht finde und dass mir das wirklich sehr Leid tut. Dann streichelt das großartige Mädchen mir über den Kopf und lispelt „Pielplatz hat the verdeckt (der Spielplatz hat sich versteckt).“ Ja so ist es. Sie erklärt mir die Welt und alles macht für mich auf einmal Sinn! Ich bin nicht orientierungslos und finde Orte nicht, sondern alles ist im Raum-Zeit-Fluss und versteckt sich vor mir. Glasklar!

Auf unseren Irrwegen begegnen wir einer wundervollen Altherrentruppe, die mit Mikro, Trommeln, E-Gitarre usw. tolle Musik zwischen bunten Blumen spielen. Einen Irrweg weiter schauen wir uns hippe Rollschuhfahrer an, die zu Oldschool Hip Hop aus einer großen mobilen Anlage, Pirouetten drehen.

Dann geschah das Wunder: ein Funke Raum-Zeit-Orientierung hat sich zu mir verirrt und 20min. hatten wir noch Zeit: 

Erzähl´s weiter!

0 Gedanken zu “Versteckt

  1. Ahhh jetzt verstehe ich endlich: die Hamburger Verkehrsplaner haben SF als Vorbild! Links abbiegen wird auch einfach vollkommen überbewertet!

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