In Vorbereitung auf Halloween und nach Minkes Empfehlung bin ich heute mit den Kindern auf den Friedhof gefahren. Durch die Erziehung meines Großvaters, der mich und meine Schwester in etwa zehn Jahren einmal wöchentlich, in heißen Wochen auch zweimal wöchentlich (die Blumen müssen gegossen werden und Oma braucht was zu trinken, so meine kindliche Vorstellung) zum Friedhof mitgenommen hat, habe ich ein natürliches neugieriges Interesse an Friedhöfen entwickelt. Hinzu kommt, dass ich zur Grundschule und später ab der 11. Klasse zum Gymnasium auch täglich zweimal über den „alten Friedhof“, eine Art Park mit uralten zerfallenen Grabsteinen, laufen musste. Friedhöfe haben mich meine Kindheit und Jugend begleitet und sind in meinem Verständnis eher ein Schrebergartenersatz ohne Tomaten, Platz für Kletterbäume, Kastanieneinpflanzbeobachtung und Picknickareal.
Von wegen beseelte Ruhe auf dem Friedhof… Hier wird im Akkord Rasen gemäht, gebaggert, mittwochs, also heute, werden alle alten Blumen und deren Vasen eingesammelt. Es wird gejoggt und Auto bis zum Grab gefahren. Hunde werden Gassi geführt, vereinzelt gehen Mamas mit Kinderwägen spazieren. Es ist auch wirklich sehr schön hier.

Alles, was sich in den Städten zeigt, spiegelt sich auch auf dem amerikanischen Friedhof wieder: multikulti pur!Die Chinesen geben besonders viel Geld aus – ganz weit oben auf dem Berg mit Blick zur Bucht und nach San Francisco! Dazu haben sie saftigsten, grünsten Rasen. Eingesäumt wird dieser Prachtrasen von perfekt geschnittenen Kirschbäumen. Zur Kirschblüte muss das hier ein Augenschmaus sein. An den Grabsteinen stehen Räucherstäbchenreste, manchmal in Orangen gesteckt, auf einem Grabstein liegen Trauben als Opfergabe. Praktisch und organisiert scheint die chinesische Friedhofsabteilung ebenfalls zu sein. In einem Bereich ist bereits alles vorbereitet, alles ist angelegt und strukturiert, nur fehlen noch die „Inhalte“. In die erste Reihe mag offensichtlich keiner. Wie im Kino.
Einen mexikanischen Vorgeschmack habe ich auf dem Berg gegenüber erhaschen dürfen. Die Grabsteine waren bunt geschmückt und nicht wenige waren mit Gasluftballons verziert. Eine kleine mexikanische Familienparty auf einem Grabstein hab ich beobachtet, Picknick, lachende und rumrennende Kinder, die Mama hat Blumen frisch abgeschnitten. Dia de los muertos, Tag der Toten bzw. christlich Allerheiligen, naht!!! Ich muss recherchieren und meine Nannies befragen, wo ich Knochenkekse und Zuckertotenschädel am besten bestaunen kann.
Auf einem anderen Berg mehrere kleine Häuser, Gruften, Steinsärge. Auf dem nächsten Hügel Obeliske, Engelstatuen, eine Pyramide – alles keine klassischen Schrebergartengräber wie in Deutschland, eingesäumt mit Minihecke usw.. Alles „freistehend“. Ganz puristisch sind mehrere Hügel einfach mit flachen Grabsteinen bestückt. Namen sind dabei stets international – englisch, deutsch, lateinamerikanisch, japanisch, chinesisch – alles eben Amerikaner.
Ein rundherum wahnsinnig interessanter Spaziergang!
Obwohl ich sonst auch kein gestörtes Verhältnis zu Friedhöfen hatte (auch mein Schulweg ging über den „alten Friedhof „), deprimieren mich Friedhöfe beim derzeitigen Novemberwetter gerade etwas
Nein! Hier scheint die Sonne, blauster Himmel, Flip Flops und Palmen! So ist das hier!